Die Finanzkrise und die darauffolgende Rezession sowie strukturelle Faktoren und unzulängliche Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung haben in Europa im Vergleich zu anderen führenden Volkswirtschaften zu einem hohen Anteil an notleidenden Krediten (NPLs)* geführt. So betrug beispielsweise der Anteil der NPLs von Banken am gesamten Bruttokreditvolumen im Jahr 2016 in der EU 4,4 % gegenüber 1,3 % in den USA. In einigen Mitgliedstaaten ist das Problem besonders akut: Zehn einzelne EU-Mitgliedstaaten hatten eine NPL-Quote von über 10 % (in Griechenland sogar 45,9 %). Die Situation birgt Risiken für deren Finanz- und Wirtschaftssysteme, welche auch auf andere Staaten übergreifen könnten.

Obwohl die einzelnen Banken in erster Linie für die Umstrukturierung ihrer Geschäftsmodelle und die für den Abbau ihrer notleidenden Kredite verantwortlich sind, betonte der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (ECOFIN), dass Maßnahmen zur Verringerung der existierenden Bestände an notleidenden Krediten und zur Vermeidung des künftigen Aufkommens von notleidenden Krediten für die Wirtschaft und Finanzstabilität in der gesamten EU von Vorteil wären, und vereinbarte daher am 11. Juli 2017 einen Aktionsplan für den Abbau von NPLs in Europa, als Reaktion auf den Bericht der Untergruppe des Ausschusses für Finanzdienstleistungen über NPLs vom 31. Mai 2017. Der Aktionsplan des Rates betont einen umfassenden Ansatz, der verschiedene Bereiche abdeckt: (i) Aufsicht, (ii) strukturelle Reformen der Regelungen für Insolvenz und Schuldenbeitreibung, (iii) Entwicklung von Sekundärmärkten für notleidende Aktiva und (iv) Förderung der Umstrukturierung des Bankensystems. Er verteilt 14 Aufgaben auf die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB), die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA), den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken und die Mitgliedstaaten.

Einige der Aufgaben konzentrieren sich auf Insolvenz, Systeme zur Darlehensvollstreckung und makroprudenzielle Ansätze zur Vermeidung systemweiter NPL-Probleme; angesichts potenzieller, zukünftiger aufsichtsrechtlicher Anforderungen an Banken kann man die Aufgaben jedoch nach den folgenden vier großen Kategorien klassifizieren.

1.  Verwaltungsprozesse

Im März 2017 veröffentlichte die EZB ihren Leitfaden für Banken zu NPLs, ein Aufsichtsinstrument, das für bedeutende Institute herausgegeben wurde, um die Erwartungen an die Identifizierung, Verwaltung, Bewertung und Abschreibung von notleidenden Krediten in Bereichen zu klären, in denen bestehende Verordnungen, Richtlinien oder Leitlinien unspezifisch sind, und das eine rechtzeitige Konvergenz der regulatorischen und bilanziellen Ansichten fordert, wenn diese erheblich voneinander abweichen.

Der Rat forderte die zuständigen nationalen Behörden nachdrücklich auf, bis Ende 2018 einen angepasste EZB-Leitfaden für weniger bedeutende Institute umzusetzen. Er regte die Banken zusätzlich an, realistische und ehrgeizige Strategien umzusetzen, um auf einen ganzheitlichen Ansatz für das NPL-Problem hinzuarbeiten, einschließlich Bereichen wie Governance und Risikomanagement, und sicherzustellen, dass die Führungskräfte motiviert sind, NPL-Abbaustrategien unter Aufsicht ihrer Leitungsorgane durchzuführen.

Darüber hinaus wurde die EBA aufgefordert, einen Leitfaden zu erstellen, welcher für alle Banken in der EU gilt, den die EBA am 31. Oktober 2018 herausgegeben hat: Leitfaden für die Handhabung von notleidenden und gestundeten Risikopositionen (NPEs & FBEs).** Der Leitfaden gilt seit dem 1. Januar 2019 und legt Anforderungen an Verfahren zur Feststellung von NPEs und FBEs sowie einen Prozess zur Gewährung von Stundung mit Schwerpunkt auf der Durchführbarkeit von Stundungsmaßnahmen fest. Ein weiterer EBA-Leitfaden, der sich mit der Kreditwürdigkeitsprüfung, der Überwachung und internen Führung der Banken befasst, würde voraussichtlich erst im ersten Quartal des Jahres 2019 endgültig festgelegt sein.

2. Rückstellungspolitik und aufsichtsrechtliche Letztsicherungen

Auf den EZB-Leitfaden folgte im März 2018 die fertiggestellte Ergänzung zum EZB-Leitfaden für Banken zu NPLs: Prudential Provisioning Backstop für NPEs, was eine vollständige Abdeckung des unbesicherten Anteils neuer NPLs erfordert. Die Ergänzung ist unverbindlich, wird aber als Grundlage für den Aufsichtsdialog zwischen bedeutenden Banken und der EZB-Bankenaufsicht dienen. Das Ergebnis dieses Dialogs wird erstmals in den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess 2021  aufgenommen werden.

In dem Aktionsplan wurde die Europäische Kommission (EC) aufgefordert, eine Auslegung der bestehenden Aufsichtsbefugnisse in Bezug auf die Rückstellungspolitik von Banken gemäß der Verordnung über den einheitlichen Aufsichtsmechanismus und der Eigenkapitalrichtlinie sowie im Rahmen der laufenden Überprüfung der Kapitaladäquanzverordnung und Eigenkapitalrichtlinie (CRR/CRD IV-Paket) herauszugeben. Die EC hat am 10. Juli 2017 eine Konsultation eingeleitet, um die Ansichten der Interessengruppen zur möglichen Einführung gesetzlicher aufsichtsrechtlicher Letztsicherungen einzuholen, die sich mit der Bewältigung von zu geringen Rückstellungen für neu bereitgestellte Kredite, die notleidend werden, sowie mit der potenziellen Funktionsweise, dem Anwendungsbereich, der Gestaltung und der Kalibrierung solcher aufsichtsrechtlichen Letztsicherungen befassen. Gemäß dem Aktionsplan und im Rahmen der laufenden Überprüfung des CRR/CRD IV-Pakets könnten diese gesetzlichen Letztsicherungen in Form von obligatorischen aufsichtsrechtlichen Abzügen von den Eigenmitteln der NPLs erfolgen, nach einer Bewertung der am besten geeigneten Kalibrierung im Einklang mit der internationalen Praxis. In ihrem Bericht zur Überprüfung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus, welcher der Mitteilung vom Oktober 2017 beigefügt ist, bestätigte die EC, dass die darin verankerten Aufsichtsbefugnisse es den zuständigen Behörden erlauben, die Rückstellungspolitik einer Bank in Bezug auf NPLs innerhalb der Grenzen des geltenden Rechnungslegungsrahmens zu beeinflussen und gegebenenfalls spezifische Anpassungen vorzunehmen, wenn dies aus aufsichtsrechtlichen Gründen erforderlich ist.

Im November 2017 bat die EU-Kommission die EBA um Rat. Die EBA antwortete daraufhin am 14. März 2018 mit einem Bericht über die aufsichtsrechtlichen Letztsicherungen, in dem ein obligatorischer Abzug vom regulatorischen Eigenkapital unterstützt wird. Im März 2018 veröffentlichte die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket, das einen Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der CRR im Hinblick auf die Mindestdeckung für NPEs enthielt.

Darüber hinaus haben sowohl die EU-Kommission als auch das EU-Parlament und der Europäische Rat Übergangsbestimmungen zur Minderung der Auswirkungen auf die Eigenmittel durch die Einführung der International Financial Accounting Standards 9 - Finanzinstrumente (IFRS 9) mit der Verordnung (EU) 2017/2395 präzisiert. Die Banken mussten ihre Rechnungslegung entsprechend anpassen. Obwohl Rechnungslegung und Aufsicht miteinander verbunden sind, haben sie jedoch noch immer eine unterschiedliche Definition des Standards.

3. Erweiterte Offenlegungspflichten

Im Aktionsplan wurde die EBA aufgefordert, die Offenlegungspflichten in Bezug auf die Qualität der Vermögenswerte und auf NPLs in Abstimmung mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zu verstärken. Am 27. April 2018 leitete die EBA eine Konsultation zum Entwurf des Leitfadens über die Offenlegung von NPEs und FBEs. In diesem sind zehn Meldebögen für die Offenlegung enthalten, die ab dem 31. Dezember 2019 zu verwenden sind. Der Leitfaden gilt für Kreditinstitute, die ganz oder teilweise den in der CRR festgelegten Offenlegungspflichten unterliegen. Vier der Vorlagen gelten für alle Kreditinstitute und sechs nur für bedeutende Institute mit einem hohen Anteil an NPLs.

4. Entwicklung des Sekundärmarktes

Abschließend bestand eine der Aufgaben des Aktionsplans für die EU-Kommission darin, eine „Blaupause“ für die Einrichtung nationaler Vermögensverwaltungsgesellschaften (VV-Ges) entwickeln, die sie dann am 8. März 2018 veröffentlichte. Die unverbindliche „Blaupause“ ist ein praktischer Leitfaden für die Gestaltung und Einrichtung von Vermögensverwaltungsgesellschaften durch eine bzw. mehrere Banken oder Behörden. Darüber hinaus sollte die EU-Kommission bis zum Sommer 2018 eine europäische Herangehensweise für NPL-Sekundärmärkte entwickeln, welche die Übertragung von NPLs von Banken auf Nichtbanken ermöglicht und die Zulassungserfordernisse für die Darlehensbedienung durch Dritte vereinfacht. Das von der EC im März 2018 geplante Maßnahmenpaket zu NPLs beinhaltete einen Vorschlag für eine Richtlinie über Kreditdienstleister, Kreditkäufer und die Verwertung von Sicherheiten.

Die EBA, EZB und die EU-Kommission wurden dazu aufgerufen, die Dateninfrastruktur mit standardisierten Daten zu stärken, um den Abbau von NPLs zu erleichtern, und die Einführung von Transaktionsplattformen für NPLs in Betracht zu ziehen; die EBA sollte Leitlinien zur Überwachung von Kreditakten mit einer Vorgabe hinsichtlich des Minimums an Detailinformationen, die Banken bezüglich ihrer Kreditrisiken im Anlagebuch festlegen müssen, herausgeben. Die EBA hat am 14. Dezember 2017 EBA-Vorlagen zur Offenlegung notleidender Kredite für Veräußerungen am Sekundärmarkt veröffentlicht, die für Banken gänzlich freiwillig sind und die von Februar bis Juni 2018 Gegenstand einer Testsammlung durch European DataWarehouse waren.

* Bei notleidenden Krediten (englisch ‚non-performing loans‘ oder kurz NPLs) handelt es sich um Bankkredite, die mehr als 90 Tage überfällig sind und/oder bei denen es unwahrscheinlich ist, dass der Schuldner sie ohne Verwertung von Sicherheiten vollständig tilgen wird, unabhängig vom Vorhandensein eines überfälligen Betrags oder der Anzahl überfälliger Tage.

** Streng genommen gilt der Begriff NPL (non-performing loans) nur für bilanzwirksame Kredite und andere fällige Beträge (z. B. Zinsen und Gebühren), während der Begriff NPE (non-performing exposures) zusätzlich außerbilanzielle Positionen wie Kreditzusagen und Finanzgarantien umfasst. Die EZB verwendet die Begriffe jedoch synonym für NPE.

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